2025 feiert Chorwerk Ruhr sein 25-jähriges Bestehen. Seit seiner Gründung hat sich das Vokalensemble als einer der führenden Kammerchöre Deutschlands etabliert und setzt mit seiner außergewöhnlichen Klangkultur, stilistischen Vielfalt und künstlerischen Strahlkraft Maßstäbe.
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens werfen wir einen Blick zurück auf besondere Projekte und Meilensteine aus der Geschichte des Ensembles. Diese Chronik zeigt die Vielfalt der Programme, die Leidenschaft für neue musikalische Wege und die kontinuierliche Entwicklung, die Chorwerk Ruhr über die Jahre geprägt hat – vom Barock bis zur Gegenwart, von a-cappella-Konzerten bis zu großen Opernproduktionen.
Eine vollständige Übersicht aller Konzerte aus unserer langen Geschichte gibt es darüber hinaus im Projektarchiv.
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Marienvesper – Konzert im Rahmen der Reihe „Musik im Industrieraum“
2000
Im Jahr 2000 setzte das neu gegründete Ensemble bereits vier große Programme um. Eines davon war Claudio Monteverdis Marienvesper, die in der Jahrhunderthalle Bochum aufgeführt wurde. Gemeinsam mit dem Teatro Lirico Bremen und dem Stuttgarter Kammerorchester trat das Ensemble in der renommierten Konzertreihe „Musik im Industrieraum“ auf. Die Leitung übernahm Frieder Bernius, der bis 2003 als erster künstlerischer Leiter von Chorwerk Ruhr das Ensemble geprägt hat. Mit dieser beeindruckenden Aufführung begann eine lange Reihe unvergesslicher Konzertmomente in der Jahrhunderthalle Bochum – ein Auftakt, der bis heute nachklingt.
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Gabrieli Schütz Biber in der Jahrhunderthalle Bochum
2001
Genau ein Jahr nach dem gefeierten Auftritt in der Jahrhunderthalle Bochum kehrte Chorwerk Ruhr 2001 an diesen eindrucksvollen Ort zurück – erneut im Rahmen der renommierten Reihe „Musik im Industrieraum“ und unter der Leitung von Frieder Bernius. Mit der Sonata pian’ e forte von Giovanni Gabrieli, den Psalmen Davids von Heinrich Schütz und der Missa Salisburgensis von Heinrich Ignaz Franz Biber präsentierte Chorwerk Ruhr gemeinsam mit dem Collegium Musicum Köln Werke, die wie geschaffen sind, um in den großen Industriebauten des Ruhrgebiets gesungen und gespielt zu werden und das Publikum in Staunen zu versetzen.
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Steine und Herzen – Erste szenische Produktion für Chorwerk Ruhr
2005
2005 verwandelte Regisseur und Autor Sven-Eric Bechtolf die mächtige Kraftzentrale im Landschaftspark Duisburg-Nord in eine alpine Welt des 19. Jahrhunderts. Seine Ruhrtriennale-Kreation Steine und Herzen ist nicht nur eine Hommage an die musikalischen Traditionen der Alpen, sondern auch ein Meilenstein für Chorwerk Ruhr: Erstmals wurde das Ensemble Teil einer szenischen Produktion. Unter der musikalischen Leitung des Tirolers Andreas Schett erweckten Chorwerk Ruhr und die Musicbanda Franui die reiche Klanglandschaft alpiner Kulturen zum Leben. Jodler, Viehlockrufe, Totenklagen und Trauermusik – über Jahrhunderte gewachsene musikalische Ausdrucksformen wurden in dieser außergewöhnlichen Inszenierung neu interpretiert und in die Gegenwart überführt.
© Jörg Detering -
Der siegende David – Barockes Meisterwerk neu vorgetragen
2006
Im September 2006 begeisterte Chorwerk Ruhr erneut bei der Ruhrtriennale, diesmal mit Reinhard Keisers Der siegende David. Das Werk wurde gemeinsam mit Musica Antiqua Köln aufgeführt.Die musikalische Leitung übernahm Peter Neumann, einem der renommiertesten Spezialisten für Alte Musik. Keisers Komposition gehört zu den wichtigsten seiner Gattung, verbindet es doch das dramatische Oratorium mit dem Religiösen in einmaliger Art und Weise. Was die Zuschauer*innen zu sehen und hören bekamen, waren gewaltige Chorszenen, kriegerische Doppelchöre und brillante wie empfindsame Arien, kurz: ein barockes Meisterwerk in Perfektion vorgetragen.
© Pedro Malinowski -
L’espace vivant – Auftritt in den Hallen der Orangerie auf Schloss Versailles
2007
Normalerweise sind die Hallen der Orangerie auf Schloss Versailles für Besuche nicht öffentlich zugänglich. Im Rahmen des Nordrhein-Westfälisch-Französischen Kulturaustauschs Artention wurde Chorwerk Ruhr die Ehre zuteil, in den eindrucksvollen Galerien zu singen. Rupert Huber stellte ein wunderbares Programm zusammen, dessen Werke teils mehrere Jahrhunderte auseinanderliegen. Chorwerk Ruhr und Mitglieder des Ensemble Modern präsentierten so in den Hallen mit der berauschenden Akustik das namensgebende L’espace vivant für im Raum verteilte Sänger*innen sowie Werke von Hildegard von Bingen und John Cage.
© Sven Lorenz -
Moses und Aron – Ein Meilenstein in der Festivalgeschichte der Ruhrtriennale
2009
Mit einem fulminanten Auftakt eröffnete Ruhrtriennale-Intendant Willy Decker die Festivalsaison 2009 und setzte gleich zu Beginn ein starkes künstlerisches Zeichen. Spektakulär und imposant war diese Aufführung von Arnold Schönbergs Moses und Aron, einem Meilenstein des Musiktheaters. Mit 100 Chorsänger*innen und 10 Solist*innen war die Inszenierung von Willy Decker bis heute eine der größten für Chorwerk Ruhr und eine, die zu Recht in die Geschichte des Festivals eingegangen ist. Schauplatz der Inszenierung war einmal mehr die Jahrhunderthalle Bochum, die durch das abstrakte Bühnenbild Wolfgangs Gussmanns wie selten zuvor in Szene gesetzt wurde.
© Paul Leclaire -
Tamar – „schamlos perfekt“
2009
Der szenischen Installation „Tamar“ von Rupert Huber aus dem Jahr 2009 liegt die intensive Beschäftigung mit der jüdischen Mystik und eine musikalische Forschungsreise in den Oman zugrunde, die im März desselben Jahres mit den Sänger*innen von Chorwerk Ruhr umgesetzt wurde. Das hebräische Wort „Tamar“ heißt übersetzt „Dattel“ – angelehnt an den Baum des Lebens, der nach der Überlieferung der Kabbalah Früchte wie die Dattel tragen soll. Energetisch und dynamisch bewegten sich die Butohtänzer um die Dattelpalme, der inmitten der Gebläsehalle auf der Bühne stand. Wie in Trance führten Markus Stockhausen und das Ensemble „Goldstaub“ aus der Sammlung Aus den sieben Tagen von Karlheinz Stockhausen auf. Chorwerk Ruhr sang die Motette Singet dem Herrn ein Lied von J.S. Bach und begeisterte Presse und Publikum gleichermaßen, in dem es „durch die „halb chortechnischen, halb schamanistischen Methoden ihres Chorleiters Rupert Huber (…) zu einer ungeahnten spirituellen Tiefe“ vordrang und einen „geradezu schamlos perfekten Bach-Vortrag“ (Ingo Hoddick, Rheinische Post) präsentierte.
© Paul Leclaire -
Incipit – Florian Helgath gibt seinen Einstand bei Chorwerk Ruhr
2012
2012 gab Florian Helgath als neuer künstlerischer Leiter von Chorwerk Ruhr seinen Einstand. Mit Incipit präsentierte der Chor ein reines A cappella-Programm mit Werken der Renaissance bis zur Gegenwart. Klassiker wie Giovanni Pierluigi da Palestrinas Lamentationes Jeremiae Prophetae oder das berühmte Miserere von Gregorio Allegri wurden abwechselnd mit modernen skandinavischen Kompositionen von Knut Nystedt, Ingvar Lidholm oder Jaakko Mäntyjärvi gesungen. Für Florian Helgath war dies der Beginn seiner Liebe für die Bauten des Ruhrgebiets: „Mittelalterliche Kirchen wie St. Reinoldi (Dortmund) liegen quasi neben Industriekathedralen wie Zollverein, Zollern, der Bochumer Jahrhunderthalle oder den modernen Konzerthäusern in Dortmund oder Essen. Alle mit wahnsinniger Akustik.“
© Claus Langer -
Nach spätem Gewitter – Gelungenes Experiment in der Duisburger Gebläsehalle
2012
Für die Ruhrtriennale 2012 konzipierte Chorwerk Ruhr unter der Leitung von Florian Helgath ein Konzert, in dessen Zentrum eines der Schlüsselwerke aus Luigi Nonos letzter Schaffensphase stand: „Das atmende Klarsein“ für kleinen Chor, Bassflöte und Live-Elektronik nach Textfragmenten aus den Duineser Elegien von Rainer Maria Rilke und antiken orphischen Hymnen. Für das Publikum ein gelungenes Experiment, denn: Mit Live-Elektronik und Verfremdungseffekten als integralen Bestandteilen der Komposition wurden Raumklänge und Stimmen akustisch so vergrößert, dass sie dem Publikum noch näher kamen.
© Pedro Malinowski -
Das Mädchen mit den Schwefelhölzern mit dem hr-Sinfonieorchester
2013
Für Helmut Lachenmanns Mädchen mit den Schwefelhölzern kreierte Robert Wilson im Rahmen der Ruhrtriennale 2013 ein speziell auf die Bochumer Jahrhunderthalle zugeschnittenes Raum- Bühnen- und Lichtkonzept und realisierte damit gleichzeitig eine ursprüngliche Idee des Komponisten: Das Publikum in einem vollständigen Ring aus Instrumentalist*innen und Sänger*innen „einzuschließen“. Begleitet wurde Chorwerk Ruhr vom hr-Sinfonieorchester unter dem italienisch-argentinischen Dirigenten Emilio Pomàrico, die gleichermaßen über langjährige Erfahrung mit der Musik Lachenmanns verfügen. „Schlichtweg grandios“, resumiert Ursula Decker-Bönninger vom Online Musik Magazin, „hier finden sich Ausnahmekünstler zusammen, die Lachenmanns ästhetische Intentionen sehr eindrucksvoll umsetzen.“
© Lucie Jansch -
Ikon of Light – Großes Klangerlebnis auf Zeche Zollern
2013
Vergriffene Konzertkarten und lange Wartelisten waren die Reaktionen auf die Ankündigung von Ikon of Light von Chorwerk Ruhr zusammen mit dem Ensemble Resonanz unter der musikalischen Leitung von Florian Helgath. Sakrale Werke von John Tavener und Arvo Pärt mit überwältigender Klangwirkung wurden in der architektonisch wie akustisch berauschenden Maschinenhalle der Zeche Zollern in Dortmund präsentiert, die das erste Mal im Rahmen der Ruhrtriennale als Spielstätte ausgewählt wurde. Die langen Nachhallzeiten der Halle, verstärkt durch die räumlich voneinander getrennte Anordnung von Chor und Streichern, schufen dabei einen beeindruckenden Klangraum für das namensgebende Ikon of Light.
© Pedro Malinowski -
Französische a-cappella-Werke auf Zollverein
2014
Unter dem Titel Figure humaine präsentierte Chorwerk Ruhr französische A-cappella-Chormusik aus der Zeit des zweiten Weltkriegs, u. a. von Francis Poulenc. Dieser vertonte das namensgebende Gedicht Figure humaine und Un soir de neige von Paul Éluards – seinerzeit selbst aktiv in der Résistance. Die Kantaten erzählen vom Verlust der Menschlichkeit, von Kälte und Tod, und doch von Hoffnung. Poulenc blieb mit seiner u. a. von der Jazzharmonik beeinflussten Tonsprache der Tonalität immer treu. Dies hat er mit seinen Zeitgenossen Maurice Ravel (1875–1937) und Jean-Yves Daniel-Lesur (1908–2002) gemeinsam, die das Konzertprogramm abrunden. Ein hoch anspruchsvoller Abend, in dem Chorwerk Ruhr mit unglaublich vielschichtigen Interpretationen glänzen konnte.
© Julian Röder -
Eine neue Vollendung von Mozarts Requiem
2015
In der jüngeren Vergangenheit sind immer wieder Versuche unternommen worden, das Fragment gebliebene Mozart-Requiem zu vollenden. Eine höchst spannende, wenn auch radikale Lösung fand der zeitgenössische Komponist Georg Friedrich Haas. 2005 komponierte er im Auftrag der Internationalen Stiftung Mozarteum sieben Klangräume für dieselbe Instrumentalbesetzung, die auch das Requiem fordert. Er legte fest, dass seine Klangräume im Wechsel mit den von Mozart fragmentarisch hinterlassenen Sätzen des Requiems gespielt werden sollen – und dabei gleichzeitig alle von Franz Xaver Süßmayr komponierten Stimmen und Sätze zur Vervollständigung des Werks entfernte. Eingebettet in Musik von Bach und Ligeti präsentierte Chorwerk Ruhr das Werk bei der Ruhrtriennale 2015 in der Maschinenhalle der Zeche Zweckel in Gladbeck. „Großer Abschluss eines außergewöhnlich spannenden Konzerts“, befindet Stefan Schmöe vom Online Musik Magazin, in dem „Florian Helgath Mozarts Requiem & Georg Friedrich Haas’ Sieben Klangräume ganz ausgezeichnet herausgearbeitet“ hat.
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Unter der Leitung von vier Dirigentinnen und Dirigenten
2016
Während der Ruhrtriennale 2016 kam das Publikum in den Genuss, ein selten live aufgeführtes Stück zu erleben. In Karlheinz Stockhausens Carré beeindruckten vier Orchester mit Musikern der Bochumer Symphoniker und vier Chöre aus den Reihen von Chorwerk Ruhr das Publikum. Es ist die ungewöhnliche Raumaufteilung, die dieses monumentale Meisterwerk so selten live erklingen lassen. Unter der musikalischen Leitung von gleich vier Dirigentinnen und Dirigenten – Michael Alber, Florian Helgath, Matilda Hofman und Rupert Huber – wurde das Werk in Halle 3 der Jahrhunderthalle Bochum präsentiert. Die freie Platzwahl nach jeder Pause ermöglichte es dem Publikum, das Konzert aus jeweils anderer Position gänzlich neu wahrzunehmen, wodurch dieses besondere Konzerterlebnis noch lange in Erinnerung bleiben wird.
© Volker Beushausen -
Earth Diver – Chorwerk Ruhr präsentiert meisterhaftes Musiktheater
2016
In seinem Musiktheater Earth Diver setzt der Regisseur Wouter Van Looy für die Ruhrtriennale 2016 philosophische Gedanken auf verschiedene Weise musikalisch, literarisch und bildgewaltig um. Während Werke des Barockkomponisten Heinrich Schütz versuchen, dem Leiden in Zeiten von Pest und Cholera einen religiösen Sinn zu geben, antwortet Nikolaus Brass darauf mit Kompositionen, welche die utopische Kraft der Tradition befragen und aufbrechen. Mit austarierter Mehrstimmigkeit füllen die Sängerinnen und Sänger von Chorwerk Ruhr das Salzlager der Zeche Zollverein, bewegen sich, oft hinter dem Publikum, ständig in Bewegung, sodass sich die Klänge und Stimmen immer wieder auf berauschende Art zusammensetzen – und übersetzen das komplexe Konzept Van Looys in direkte Sinnlichkeit.
© Wonge Bergmann -
Einstein on the Beach einmal ganz anders
2017
Hättet ihr Chorwerk Ruhr hier erkannt? Obwohl Einstein on the Beach direkt an Robert Wilson und Philip Glass denken lässt, erinnert nur wenig an dieser Inszenierung an die beiden Ausnahmekünstler. Inszeniert von Kay Voges in der Oper Dortmund und mit Hilfe von sieben Licht- und Videokünstlerinnen und -künstlern entstehen eindrucksvolle Bilder- und Klangwelten: „Einstein on the Beach kann ein normales Theater spielen, allerdings muss man dazu einen außergewöhnlichen Einsatz von Licht und Videotechnik ermöglichen und wohl auch musikalische Spezialisten zur Verstärkung holen“, resümierte Ulrike Gondorf für Deutschlandfunk Kultur. „In Dortmund war das vor allem das Ensemble Chorwerk Ruhr – ein Chor von jungen Profisängerinnen und -sängern, die sich in den letzten Jahren auch durch ihre Produktionen für die Ruhrtriennale an die internationale Spitze gesungen haben, phänomenal sicher in Intonation und Rhythmus und dabei spielfreudig bis zur Waghalsigkeit.“
© Thomas Jauk -
Bei Memoria besticht das „Phänomen des Klangs“
2017
Für den imposanten Raum der Maschinenhalle der Zeche Zollern in Dortmund hat Florian Helgath 2017 mit Memoria ein Programm aus Alter und Neuer Musik zusammengestellt, das sich über die Jahrhunderte verbindet. Bei all der zeitlichen Distanz, die zwischen der mehrstimmigen Tonarbeit des Renaissance-Komponisten Tomás Luis de Victoria (1548–1611) und den puren Tonstudien von John Cage (1912–92) und Morton Feldman (1926–87) liegt, besticht die Fokussierung auf das Phänomen des Klangs. Chorwerk Ruhr begibt sich auf Spuren nach in Klang geronnen Erinnerungen, zelebriert die Schönheut des Klangs und auch, wie bei Feldman und Cage, die tönende Stille. So gestaltet sich ein spannend-bewegender Abend in einem ganz besonderen Raum, der erstaunlicherweise wie für Musik geschaffen scheint.
© Pedro Malinowski -
Kagels Chorbuch im Salzlager auf Zeche Zollverein
2018
Der argentinisch-deutsche Komponist Mauricio Kagel gehörte in den 1960er-Jahren zur europäischen Avantgarde und nimmt einen wichtigen Platz unter den Komponistinnen und Komponisten des 20. Jahrhunderts ein. Sein Chorbuch für Vokalensemble und Tasteninstrumente gehört dabei zu den eher ungewöhnlichen Werken. Ungewöhnlich nicht wegen seiner Sammlung aus 53 Chorälen in alphabetischer Reihenfolge, sondern weil er es dem aufführenden Chor selbst überlässt, welche der Choräle in welcher Abfolge in welcher Kombination mit anderen Werken gesungen werden. Auch fordert der Komponist explizit zu Sprechgesang, zu Schreien oder Singen in besonders tiefer Lage und zu theatralen Aktionen auf. Die Zugabe gibt dem begeisterten Publikum jenseits von Bach & Kagel mit der ersten Zeile „Laß dich nur nichts nicht dauren mit Trauren“ aus dem Geistlichen Lied von Johannes Brahms noch einmal Gelegenheit, die vollkommene Kunst des Chorgesangs von Chorwerk Ruhr zu genießen.
© Christian Palm -
Gewitter im Halbdunkel
2019
2019 gab Chorwerk Ruhr zusammen mit den Duisburger Philharmonikern unter der Leitung von Florian Helgath italienische Chorwerke der Spätrenaissance und der Moderne zum Besten. In Luciano Berios Komposition „Coro“ vereinigen sich Menschen- und Instrumentenstimmen. Je ein Instrument und eine Sängerin bzw. ein Sänger werden in der Partitur parallel geführt. Auf die Klänge wurde das Publikum mit einer Messe aus dem 16. Jahrhundert: Alessandro Striggios „Missa sopra Ecco sì beato giorno“, erfordert 40 Chorstimmen, aufgeteilt auf fünf Chöre. Berios anschließendes „Coro“ verteilt sich durch die Verbindung von Stimmen und Instrumenten im Raum: eine Phrase wird von einem Instrument begonnen und setzt sich an anderer Stelle fort, ein Motiv taucht hier auf, wiederholt sich später in einer anderen Stimme an einem anderen Ort. Die Zuschauenden werden sich erinnern: Begleitet wurde wurden Chor und Orchester in der Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck von Blitzen und Gewitter, die das Hallendunkel durch die vielen Fenster plötzlich erhellten und ihren Beitrag zu einer wahrhaft intensiven Atmosphäre leisteten, so als hätte ein genialer Lichtkünstler seine Finger im fulminanten Spiel.
© Christian Palm -
Café Beethoven – Ein besonderes Jubiläum in besonderen Zeiten
2020
2020 feierte Chorwerk Ruhr sein 20-jähriges Bestehen – ein Anlass, der mit zahlreichen großen Projekten begangen werden sollte. Doch wie für viele Kulturschaffende brachte die Corona-Pandemie auch für das Ensemble unerwartete Veränderungen mit sich: Viele der geplanten Vorhaben mussten verschoben oder ganz abgesagt werden.
Und doch begann das Jubiläumsjahr mit einem Glanzlicht: Mit Café Beethoven – Bagatellen von und über Ludwig van Beethoven präsentierte Chorwerk Ruhr eine außergewöhnliche Hommage an den großen Komponisten – fernab jeder Denkmalpflege. Im stimmungsvollen Salzlager auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein entstand eine behagliche Kaffeehausatmosphäre, in der sich das Publikum von Beethoven nicht als Titan, sondern als Mensch berühren lassen durfte: eigenwillig, einsam, sehnsüchtig – und zugleich voller Witz und Lebenslust. Zwischen Liedern, Kanons und kleinen musikalischen Preziosen erzählte ein charmanter Kellner von Beethovens Marotten, Lieben und Leidenschaften – mit einem Augenzwinkern und „immer ein bissl das Herz dabei“. Unter der Leitung von Florian Helgath entstand so ein nahbares, klug inszeniertes musikalisches Porträt – das zum Auftakt des Beethoven-Jahres wie auch des Jubiläumsjahres von Chorwerk Ruhr einen besonderen Ton anschlug: leise, liebevoll, tiefgründig.
© Christian Palm -
Fauré & Brahms – Trostvolle Klänge in unsicheren Zeiten
2021
Auch das Jahr 2021 stand noch im Zeichen der Corona-Pandemie. Und doch kehrte langsam wieder Leben in die Konzertsäle zurück: Unter strengen Auflagen konnte Chorwerk Ruhr eine Vielzahl von Projekten realisieren – der Konzertkalender war erfreulich gut gefüllt.
Ein besonderes Highlight bildete das gemeinsame Projekt mit den Bochumer Symphonikern, in dem zwei Werke der Spätromantik dem Thema Tod und Vergänglichkeit nachspürten: Gabriel Faurés Requiem und Johannes Brahms’ Nänie. Beide Werke sind nicht von düsterer Dramatik geprägt, sondern von einem fast tröstlichen, lyrisch-milden Ton. Faurés Requiem, oft als „Wiegenlied des Todes“ bezeichnet, verweigert sich dem Schrecken und sucht vielmehr das Licht, das Jenseitige, das Sanfte. In der Interpretation von Chorwerk Ruhr, der Sopranistin Anna Feith, dem Bariton Ludwig Mittelhammer und den Bochumer Symphonikern unter der Leitung von Florian Helgath entstand ein inniges, zu Herzen gehendes Klangbild – getragen von klaren, reintönigen Soli und schwebenden Chorstimmen.
© Christian Palm -
Bruckner & Reger – Geistliche Meisterwerke in großer Klangkultur
2022
Mit Anton Bruckner und Max Reger rückten 2022 zwei Spätromantiker ganz unterschiedlichen Typs ins Zentrum des rein geistlichen A-cappella-Programms Bruckner & Reger, mit dem Chorwerk Ruhr auf Konzertreise durch ganz Deutschland ging. Die geistlichen Werke der beiden Komponisten, geprägt von tiefem Glauben, emotionaler Weite und kompositorischer Raffinesse, trafen auf den feinen Chorklang von Chorwerk Ruhr unter der Leitung von Florian Helgath. Besonders Bruckners Motette Os iusti ließ Bruckners Größe im a-cappella-Klangraum leuchten – getragen von klarer Homophonie und kunstvoller Polyphonie. Max Regers Geistliche Gesänge op. 110 verlangten dem Ensemble höchste Präzision und tiefes musikalisches Gespür ab. Die dichte Chromatik und kontrapunktische Strenge verwoben sich zu einer ergreifenden musikalischen Meditation über Vergänglichkeit und Trost. Das Publikum erlebte kraftvolle, spirituell aufgeladene Konzerte, die in ihrer Emotionalität und klanglichen Intensität lange nachwirkten.
© Christian Palm -
Abendlob und Morgenglanz – Rachmaninows Klangwelten in der Kathedrale der Industriekultur
2023
2023 steuerte Chorwerk Ruhr dem Programm der Ruhrtriennale ein besonderes Highlight bei: Sergej Rachmaninows Großes Abend- und Morgenlob erklang in der beeindruckenden Jugendstil-Maschinenhalle der Zeche Zollern in Dortmund – einem Ort, der sich für dieses sakrale Meisterwerk mit seiner kraftvollen, wie zarten Klangsprache auf geradezu magische Weise öffnete. Unter der Leitung von Florian Helgath erfüllte Chorwerk Ruhr mit 37 Stimmen den Raum mit einer eindrucksvollen Mischung aus feiner Linienführung und leuchtender Klangpracht. Rachmaninow verbindet in seiner Vertonung alter russischer, griechischer und ukrainischer Melodien eine tiefe spirituelle Tradition mit spätromantischer Ausdruckskraft: „ein Baden in himmlischen Harmonien mit organischen Wogen und Fließen der Klänge bei ganz feinen Stimmsätzen.“ (Ruhr Nachrichten)
© Christian Palm -
Innocence – Ein Opernabend von atemloser Intensität
2024
2024 setzte Chorwerk Ruhr mit der Mitwirkung an der deutschen Erstaufführung von Kaija Saariahos Oper Innocence einen außergewöhnlichen Akzent. In einer Produktion des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen wurde Saariahos letztes vollendetes Werk, ein feinfühliges Psychodrama über Schuld, Erinnerung und Verdrängung, zur bewegenden musikalischen Erfahrung. Die Oper erzählt von den Folgen eines Amoklaufs an einer Schule in Helsinki, die Jahre später auf einer Hochzeitsfeier wieder an die Oberfläche drängen. In Saariahos schillernder Partitur – dunkel bebend, überirdisch leicht, dramatisch zupackend und zerbrechlich zart – übernahm der Chor eine zentrale Rolle: Chorwerk Ruhr, einstudiert von Sebastian Breuing, gab den unausgesprochenen Gedanken der Überlebenden ebenso wie den Stimmen der Toten eindrucksvolle klangliche Gestalt. Unter der musikalischen Leitung von Valtteri Rauhalammi und in der Regie von Elisabeth Stöppler entstand ein intensives, psychologisch fein gearbeitetes Musiktheater, das das Publikum im Großen Haus des Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen tief bewegte.
© Karl & Monika Forster -
Die Nachtigall – eine partizipative Musiktheaterproduktion für Groß und Klein
2025
Im März 2025 realisierte Chorwerk Ruhr in Kooperation mit der Stiftung Zollverein und der Parkschule Essen die Musiktheaterproduktion Die Nachtigall, frei nach Hans Christian Andersens gleichnamigen Märchen und dem gleichnamigen Konzertstück von Ugis Praulins. Das interdisziplinäre Projekt verband A cappella-Musik mit virtuoser Blockflötenmusik, Schauspiel mit Musik, Bewegung mit dem Raum sowie Kinder mit Erwachsenen in einer partizipativen Inszenierung für ein Publikum ab acht Jahren. Denn im Rampenlicht standen nicht nur die Sänger:innen von Chorwerk Ruhr sowie Michala Petri als Flötenvirtuosin und Jonathan Schimmer als Erzähler, sondern auch 35 Dritt- und Sechstklässler:innen der Essener Parkschule, die auf Augenhöhe mit den Profis agierten.
Ein besonderes Highlight war zudem der Aufführungsort selbst: das Salzlager auf dem UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein. Die dortige Installation „Palace of Projects“ wurde zum aktiven Bestandteil der Inszenierung und passte perfekt zur Geschichte. Die Raumstruktur, die dezentrale Platzwahl für das Publikum sowie die Bespielung von Höhenebenen und Seitenflächen schufen ein immersives Klangerlebnis, das das Publikum ganz und gar in die Geschichte über die kleine Nachtigall und die große Macht ihrer Stimme eintauchen ließ.
© Christian Palm