Bach an der Ruhr

Als wärmende Zutat zum weihnachtlichen Idyll erklingt in zahlreichen Gemeinden und vielen Haushalten in der stillsten Zeit des Jahres Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium BWV 248. Weitgehend auf Grundlage der volkstümlichen Darstellung des Weihnachtsgeschehens im Lukas-Evangelium, schrieb Bach eine seiner berühmtesten geistlichen Kompositionen. Dem Dirigenten Reinhard Goebel, Gründer und 33 Jahre lang Leiter des Ensembles Musica Antiqua Köln, ist das heile Weihnachtsbild, das viele Menschen in Bachs Oratorium hören wollen, verdächtig. Als ausgewiesener Kenner der Musik Bachs und seiner Zeitgenossen weiß er, dass historische Aufführungspraxis nur erfolgreich gelingen kann, wenn man eine zeitgenössische Lesart findet. Zum größten Teil beruht die Musik des Weihnachtsoratoriums auf weltlichen Kompositionen, die Bach für die Festgottesdienste des Jahres 1734 im Parodieverfahren zu geistlichen Werken umarbeitete. An diesem Punkt setzt Reinhard Goebel an, der im zweiten Teil – wie es auch zu Bachs Zeit üblich war – Originalkompositionen zu einer neuen Einheit verbinden wird. Dabei macht er den Umschlag von Weltlichem ins Geistliche hörbar und öffnet gelegentlich die Fenster, um sentimentale Gemütlichkeit mit frischer Winterluft auszutreiben. Mit ChorWerk Ruhr und Ensemble Resonanz trifft Goebel auf zwei junge Klangkörper, die in Ihren Konzerten den Brückenschlag zwischen Tradition und Gegenwart suchen und in ihren Programmen Kontraste und Verbindungen zwischen alten und zeitgenössischen Meistern herstellen. Die Spielorte im Ruhrgebiet, als gleichfalls noch junge Orte der „Bach-Pflege“ bieten den richtigen Rahmen, um die Weihnachtsgeschichte noch einmal neu zu erfahren. Hier wird Bach zum Zeitgenossen.