Erhöre mich


Nikolaus Brass (*1949)
Earth Diver VOICES I (2016) für Chor a cappella

Heinrich Schütz (1585-1672)
aus Musikalische Exequien op. 7,
Teil II Herr, wenn ich nur dich habe SWV 280
Teil III Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren SWV 281
für sechs, acht oder mehr Stimmen und Basso Continuo

Nikolaus Brass
Earth Diver VOICES II (2016) für Chor a cappella

Heinrich Schütz
An den Wassern zu Babel Psalm 137, Psalmen Davids 1619, Nr. 16, SWV 37
Psalmkonzert für zwei Favorit-Chöre (Singstimmen und Instrumente)

Martin Wistinghausen (*1979)
aus Bedrängte Zeit, vergeh! Drei Stücke für Chor, Theorbe, Violone und Orgel
1. Des KRIEGes Buchstaben (UA)
2. Der Schluss des 1648sten Jahres (UA)

Heinrich Schütz
Verleih uns Frieden genädiglich Geistliche Chormusik Nr. 4, SWV 372

Martin Wistinghausen
aus Bedrängte Zeit, vergeh! Drei Stücke für Chor, Theorbe, Violone und Orgel
3. Vergänglichkeit der Schönheit (UA)

Heinrich Schütz
Selig sind die Toten, die in dem Herren sterben Geistliche Chormusik 1648, Nr. 23, SWV 391, Motette für sechs Stimmen (Singstimmen und Instrumente) und Orgel ad libitum

Termine

Do5.5.2022 — 20 Uhr

Schlosskapelle Dresden

Fr6.5.2022 — 20 Uhr

Christuskirche Bochum

Bereits zur Ruhrtriennale 2016 war das CHORWERK RUHR unter der Leitung von Florian Helgath an einem Projekt beteiligt, das unter dem Namen Earth Diver Trauermusiken von Heinrich Schütz mit der modernen Klangsprache des 1949 geborenen bayerischen Komponisten Nikolaus Brass in Beziehung setzte. Nun erfolgt unter dem Titel Erhöre mich, eine quasi noch „reinere“ Begegnung beider Komponisten.

Heinrich Schütz gilt als die Galionsfigur protestantischer Kirchenmusik schlechthin. Seine  Musik geht ganz im Sinne barocker „Klangrede“ von der Diktion der Sprache aus, sie ist ein „Reden in Tönen“. „Diese Musik“, so Nikolaus Brass bereits 2016, „leuchtet für mich in jeder Phase, sie ist so klar, rein und konzentriert, ohne irgendeine Attitüde.“ Brass’ zentrales Anliegen in seinen Neukompositionen ist es, die Sicherheiten dieser Musik, die abhanden gekommen sind, nicht in Frage zu stellen, aber sie zu befragen.

Im Mittelpunkt des Abends stehen Heinrich Schütz’ Musikalische Exequien, die von der Vokalmusik von Nikolaus Brass mit „Voices I und II“ gerahmt werden. Schütz komponierte seine dreiteilige deutschsprachige Trauermusik zum Begräbnis des Fürsten Heinrich Posthumus von Reuss-Gera am 4. Februar 1636. Alle Details seiner eigenen Beerdigung hatte der Fürst rechtzeitig festgelegt. Auf dessen kupfernem Sarg finden sich bereits diejenigen Texte eingelassen, die Schütz übernahm. Den ersten Teil prägen so Texte des Alten und Neuen Testaments, die Schütz in der modernen Form des geistlichen Konzertes vertont und sie mit chorisch gesungenen Kirchenliedtexten abwechseln lässt.

Der zweite Teil der Exequien besteht aus der achtstimmigen doppelchörigen Mottete Herr, wenn ich nur dich habe. Den abschließenden dritten Teil bildet dann eine besondere Raum-Klangkunst. Der von einem fünfstimmigen Chor gesungene Lobgesang des Simeon wird kontrastiert von zwei Sopranen, die als Seraphime fungieren und einer Baritonstimme, die die „beata anima“, die „erlöste Seele“ darstellt. Sie sind als Fernchor platziert. Ihre abschließenden Worte „Sie (die Toten) sind in der Hand des Herren, und keine Qual rühret sie“, bilden für Nikolaus Brass den existenziellen Kern des Werkes. In seiner Musik hat er diese Passage als einzige zitiert, „weil ich mich davor verneigen möchte, aber auch vor unserem Nicht-mehr-Wissen, ob es so etwas gibt.“

Auf seine ganz eigene Weise fügen sich drei Uraufführungen des 1979 geborenen Komponisten Martin Wistinghausen in das Programm und nehmen mit weltlichen Gedichten des Barock Bezug zur Existenzthematik des Todes und der Lebenswelt eines Heinrich Schütz inmitten beziehungsweise nach Ende des 30jährigen Krieges. Wistinghausen, selbst ausgebildeter Sänger (Bass), aber auch Germanist: innen  und Historiker: innen  thematisieren in Friedrich von Logaus Des Krieges Buchstaben zunächst anklagend die Kriegsgräuel selbst. In Andreas Gryphius‘ Gedicht Der Schluss des 1648sten Jahres äußert sich dann der Ausblick auf bessere Friedenszeiten („Es ist genug geschlagen“), während in „Vergänglichkeit der Schönheit“ von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau der klassische Vanitas-Gedanke des Barock seinen Ausdruck findet. Für die Aufführung im Jahr 2022 entstand zunächst eine reduzierte „Kammerfassung“ für Stimmen und Basso continuo (Orgel, Theorbe und Violone), der im Jahr 2023 eine instrumental erweiterte Fassung für das Ensemble Capella de la Torre folgen soll.

 

Wenn sich bei mehrchörigen Passagen wie im Schlussteil der „Musikalischen Exequien“ die Stimmgruppen quer durch den Raum kreuzten und begegneten, kam ganz nahe, wie es hier einmal geklungen haben mag – und vielleicht wieder klingen wird. (06.05.2022, FAZ)

Chorwerk Ruhr in der Christuskirche Bochum (c) Olaf Rauch

Chorwerk Ruhr in der Christuskirche Bochum (c) Olaf Rauch

Das Heinrich Schütz Musikfest am 5.5.2022 in der Schlosskapelle im Residenzschloss in Dresden mit dem Chorwerk Ruhr (c) Matthias Marx

Das Heinrich Schütz Musikfest am 5.5.2022 in der Schlosskapelle im Residenzschloss in Dresden mit dem Chorwerk Ruhr (c) Matthias Marx

Das Heinrich Schütz Musikfest am 5.5.2022 in der Schlosskapelle im Residenzschloss in Dresden mit dem Chorwerk Ruhr (c) Matthias Marx

Theorbe: VANESSA HEINISCH
Violone: FRAUKE HESS
Orgel: PETER KOFLER
CHORWERK RUHR
Dirigent: FLORIAN HELGATH