Musikfest Berlin


Pierre Boulez (1925-2016)
Cummings ist der Dichter für 16 Solostimmen und Instrumente (1970/1986)

Maurice Ravel (1875-1937)
Klavierkonzert D-Dur für die linke Hand (1929)

György Ligeti (1923-2006)
Clocks and Clouds für 12stimmigen Frauenchor und Orchester (1972-1973)

George Benjamin (*1960)
Palimpsests für Orchester (1998-1999)

Termine

Sa8.9.2018 — 19 Uhr

Philharmonie Berlin

Einführung: 18:00 Uhr

So9.9.2018 — 20 Uhr

Philharmonie Berlin

Einführung: 19:00 Uhr

Pierre Boulez war Komponist. Er war aber auch Dirigent, dazu ein streitbarer Theoretiker und Disputant in Sachen Kunst. Etwas von dieser multiplen Musikalität fängt das Programm von George Benjamin mit den Berliner Philharmonikern ein. Wie Boulez ist Benjamin Komponist und Dirigent, wie jener studierte er bei Olivier Messiaen; am IRCAM, der von Boulez initiierten und lange geleiteten Institution, sammelte er wesentliche Erfahrungen: Recherchen über das Zusammenwirken akustischer und elektronischer Instrumente brachten auch neue Denkweisen in das Komponieren für akustische Ensembles ein. Der Titel Palimpsests weist auf das Überschreiben von Pergamenten hin, bei dem radierte oder ausgewaschene Schichten noch zu erkennen oder zu erahnen sind. Unter dem Neuen scheint das Ältere – der canzonenartige Anfang des Stücks – immer wieder durch. Mit solcher Art von Schichtungen, von Hervortreten, Verblassen und Verfließen, kann man elektronisch wunderbar spielen, aber auch herkömmlich notierte Partituren erzeugen. Die Uraufführungen beider Benjamin-Palimpseste dirigierte Pierre Boulez, das erste wurde ihm zum 75. Geburtstag gewidmet.

Boulez‘ Musikdenken scheint von Claude Debussys Idealen einer fließenden Form so weit entfernt wie von Maurice Ravels koloristischen Explosionen. Und doch legte der Interpret Boulez mit dem genauen Lesen der Partituren und dem Verzicht auf eigene atmosphärische Zutaten maßstäbliche Einspielungen ihrer Werke vor. Er dirigierte Kompositionen seiner Zeitgenossen, auch wenn sie eine andere Ästhetik verfolgten als er. Der Musik György Ligetis widmete er ganze Konzerte und Programmreihen. Die beiden verband die Lust an der pointierten Diskussion über Musik, das Verfechten kontroverser Standpunkte. Diese kommen, was die Vokalmusik betritt, in zwei Werken zum Ausdruck, die Anfang der 1970er-Jahre entstanden. Dem aufgebrochenen Schriftbild in den Gedichten von E. E. Cummings, einer Art Mikroskopie des nachdenkenden, grammatikfreien Sprechens, antwortet Boulez mit der Herausforderung aller stimmlichen Artikulationsformen. Sprache, Klang und Geräusch schaffen eine neue Syntax. Über das stilisierte Geläut des Orchesters ziehen bei Ligeti zwölf Frauenstimmen jene Wolken des Klangs, die sich ständig wandeln, ballen, lockern. Beide Schichten durchdringen sich, ohne zu verschmelzen – wie bei einem Palimpsest.

„Musikfest Berlin" in der Philharmonie Berlin

KLAVIER: Cédric Tiberghien
CHORWERK RUHR
EINSTUDIERUNG: Matilda Hofman
BERLINER PHILHARMONIKER
DIRIGENT: George Benjamin

Eine Veranstaltung der Stiftung Berliner Philharmoniker in Kooperation mit Berliner Festspiele / Musikfest Berlin