Dieter Schnebel (1930-2018) / Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Contrapunctus I aus Kunst der Fuge
Moritz Landgraf von Hessen (1572-1632) Pavana
Aspirio Pacelli (1570-1623) Cantate Domino
Hyronimus Praetorius (1560-1629) Tulerunt Dominum meum
Orlando di Lasso Tristis est anima mea
Johann Kaspar Kerll (1627-1693) Intrada Battaglia
Martin Wistinghausen (*1979) Neues Werk
Michael Praetorius (1571-1621) Das alte Jahr vergangen ist
David Pohle (1624-1695) Courante, Sarabande und Bourrée
Jacobus Gallus (1550-1591) Ecce quomodo moritur
Martin Wistinghausen (*1979) Neues Werk Teil 2
Moritz Landgraf von Hessen Hosianna filio David
Marco Antonio Ingegneri (1536-1592) Duo seraphim
Michael Praetorius (1571-1621) Bransle de la Torche
Andrea Gabrieli (1533-1585) Exsultate justi
Giovanni Gabrieli (1557-1612) Jubilate Deo
Termine
In diesem Konzertprojekt geht es darum, neben der Musik Johann Sebastian Bachs Musik diejenige Vokalmusik in den Mittelpunkt zu stellen, die Bach auf seine persönliche „Playlist“ sortiert hätte, eine musikalische Erinnerung, eine Tradition, mit der Bach umging. Deshalb erklingen Werke aus einer meist 8-stimmig-doppelchörigen Motetten-Sammlung mit dem schönen Titel „Florilegium Portense“ („Blütenlese aus Schulpforta“). An der protestantischen Eliteschule (Fürstenschule) „Schulpforta“ bei Naumburg wurde Anfang des 17. Jahrhunderts vom dortigen Kantor Erhard Bodenschatz ein bestimmtes exemplarisches Motetten-Repertoire unter diesem Namen zusammengestellt und 1618 in Druck gegeben. Aus der Schulpraxis heraus entstanden, diente diese Sammlung noch Bach für die Ausbildung seiner Sängerknaben an der Leipziger Thomasschule. Es war das „Ars musica“ oder das „Chor aktuell“ seiner Zeit und enthielt 115 Motetten meist deutscher Kantoren, daneben aber auch exemplarischer italienischer Komponisten, wie Andrea und Giovanni Gabrieli und anderer Vertreter der klassischen Vokalpolyphonie.
Für eine protestantische Sammlung sind interessanterweise sehr viele katholische Komponisten der nach-tridentinischen Ära darin vertreten, zum Beispiel Orlando di Lasso. Zudem sind die Texte, oft Psalmen, vorwiegend lateinisch gehalten, da sie sich mit dem Lateinunterricht der Schule verbinden sollten. Ein Werk-Kanon des Spätrenaissance und des Frühbarock entstand so, der in diesem Konzert repräsentativ abgebildet werden soll, zudem angereicht durch die historischen Instrumente des Spezial-Ensembles Capella de la Torre, die die Motteten mit tänzerischen Instrumentalsätzen des Früh- und Hochbarock durchsetzen werden.
Eröffnet wird das Konzert jedoch mit einem Höhepunkt Bachscher Kontrapunktik selbst, der ersten Fuge (Contrapunctus I) aus Bachs instrumentaler Kunst der Fuge. Dieter Schnebel überträgt und verteilt dabei 1972 innerhalb seiner Werkgruppe Re-Visionen die instrumentalen Originaltöne Bachs auf einzelne Vokalstimmen. Ton für Ton wandert so Bachs Fugengeflecht durch den Raum. Das Netz der genialen Bachschen Polyphonie wird so zum faszinierenden vokalen Raumklang.
Als eigentlicher Kontrast, aber auch als Dialog, wird zudem ein neues Werk des zeitgenössischen Düsseldorfer Komponisten Martin Wistinghausen, geboren 1979, in das historische Klanggeschehen „eingreifen“. Der ausgebildete Sänger, der sich der Renaissance- und Barockmusik sehr verbunden weiß, ist selbst Mitglied im CHORWERK RUHR. In seinem Neuen Werk für Chor und Orchester wird er sich zudem der historischen Instrumente bedienen, dabei jedoch in einen „kreativen Dialog“ mit den Instrumentalisten: innen eintreten. Auf alten Instrumenten Neues auszuprobieren, das jedoch „machbar“ ist, ist eines seiner Ziele. Zugleich werden von ihm poetische Texte des 17. und 18. Jahrhunderts in den Mittelpunkt gestellt, die mit ihren „urmenschlichen Themen – Liebe, Krankheit, Tod“ und in ihrer Objektivität „uns auch heute noch berühren“.
Man darf auf die vielfältige musikhistorische Vernetzung dieses Konzertabends also gespannt sein.
Tim Koeritz
Credit: Hannes Hoechsmann
CAPELLA DE LA TORRE
(Leitung und Schalmei: KATHARINA BÄUML)
CHORWERK RUHR
Dirigent: FLORIAN HELGATH